«Ich bringe vor allem Pleiten, Pech und Pannen»: Stefan Moser wird für exzellente Lehre an der ETH ausgezeichnet

Stefan Moser wurde von den Studierenden des Departements für Bauingenieurwissenschaften der ETH Zürich mit der «Goldenen Eule» für sein langjähriges Engagement in der Lehre ausgezeichnet. Im Interview erzählt er wie er vor 20 Jahren sein erstes Projekt nach dem Studium erlebt hat und sagt, was es braucht, damit der Einstieg in die Berufspraxis gelingt.

Die «goldene Eule» wird einmal im Jahr vom Verband der Studierenden der ETH Zürich (VSETH) an besonders engagierte Lehrpersonen vergeben. Pro Departement wird eine Person ausgezeichnet. Stefan Moser lehrt seit rund 15 Jahren an der ETH Zürich, aktuell zu Bauverfahren.

Was ist dein Erfolgsrezept als Dozent?

Da müsste man jetzt die Studierenden fragen (lacht). In der Begründung ist gestanden: Grosser Praxisbezug mit sehr vielen Beispielen. Ich bringe nicht die Schönwetterbaustelle, sondern vor allem Pleiten, Pech und Pannen. Was wir uns gedacht haben und was sich anders herausstellte. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass es immer einen Plan B braucht, weil ein Projekt möglicherweise einfach nicht gut läuft. Ich versuche ihnen zu zeigen, wie Kosten, Termine, Auftraggeber und Auftragnehmer zusammenspielen und wer welche Rolle hat. Und wieso ein Projekt, obwohl super Leute mit dabei sind, vielleicht dennoch nicht gelingt.

Du engagierst dich seit 2009 als Dozent an der ETH Zürich. Was motiviert dich?

Mich motiviert, dass ich an der ETH Zürich eine sehr grosse Freiheit habe. Die Freiheit der Lehre. Ich kann selbst entscheiden, welche Inhalte ich lehre, welche Unterlagen ich abgebe, wen ich für einen Gastvortrag einlade. Ich versuche den Studierenden das Wissen beizubringen, von dem ich mir als Arbeitgeber erhoffe, dass Absolvierende dieses mitbringen. Als Student habe ich es selbst immer geschätzt, wenn jemand aus der Praxis gelehrt hat. Und so gebe ich meine Erfahrungen gerne weiter, solange dies erwünscht ist.

Der Einstieg in die Praxis nach dem Studium ist ein bedeutender Übergang. Kannst du dich noch an dein erstes Projekt erinnern?

Als ich vor 20 Jahren bei Basler & Hofmann angefangen habe, bin ich im Projekt Gotthard-Basistunnel eingestiegen. Wir waren damals in einer Ingenieurgemeinschaft zuständig für die Fahrbahn ab Bahnhof Altdorf bis Giustizia weit unten im Tessin.

Wie hast du dieses erste Projekt erlebt?

Das ist eine supergute Erfahrung gewesen, und zwar aus dem Grund, dass ich mich nicht im Bahnbau vertieft hatte. Ich kam zu Basler & Hofmann und hier hat man mich gefragt: «Hast du Lust?» und ich habe geantwortet: «Ja. Wenn ihr glaubt, dass ich das kann, dann bin ich bereit, mir dies anzueignen». Ich habe ein sehr tolles Team gehabt. Darin waren auch sehr verdiente, langjährige Mitarbeitende am Ender ihrer Karriere, die ihr Wissen teilen wollten. Das war sehr wertvoll.

Mittlerweile hast du zahlreiche Grossprojekte geleitet, zum Beispiel die Durchmesserlinie in Zürich. Was braucht es, damit ein solches Projekt gelingt?

Das sind verschiedene Faktoren. Es braucht einen Auftraggeber, der entscheidet, eine Timeline, die vernünftig ist und die notwendigen finanziellen Mittel. Was es aber vor allem braucht ist ein gutes Team. Die Leute müssen gefordert sein, aber nicht überfordert. Sie sollten sich nicht langweilen, aber auch nicht jeden Tag zehn oder zwölf Stunden arbeiten müssen. In diesem Sinne: Teammotivation hochhalten, schöne Erfolge feiern und anerkennend miteinander teilen, nicht nur arbeiten, sondern auch mal zusammen einen Kaffee und ein Bier trinken gehen, das ist entscheidend.

Was gibst du angehenden Bauingenieurinnen und -ingenieuren mit auf den Weg?

Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Man kommt an einer Baustelle vorbei. Dann kann man sich überlegen: Wieso haben sie dieses Gerüst so gestellt? Und wieso steht der Kran jetzt genau dort? Was sind das für Silos? Dieses Interesse wünsche ich mir. Umhergehen und diese Neugier haben: Wieso macht man das so? Verstehen wollen. Und dass sie dann mit dem gesamten Rucksack, den sie haben, versuchen das Gesehene in Kontext zu bringen und sich eine Theorie zurechtzulegen, warum etwas so ist, wie es ist. Vielleicht ist es richtig, vielleicht falsch. Und dass sie versuchen, sich aus ihrer Neugier heraus in eine Richtung zu entwickeln. Offen sein und Chancen, die sich bieten, packen. Denn ich bin überzeugt: Man bereut nur die Entscheide, die man nicht getroffen hat. Man ist jung und kann alles ausprobieren. Wenn man nach zwei Jahren merkt, dass der eingeschlagene Weg nicht der Richtige ist, macht man einen Schnitt und probiert etwas anderes. Der aktuelle Markt gibt das her. Daher meine Empfehlung: Ausprobieren, ins kalte Wasser springen und die Augen offenhalten.

Zur Person

Nach seinem Diplom als Bauingenieur war Stefan Moser als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Prüfungsexperte an der ETH Zürich tätig und promovierte zur vollautomatischen Applikation von Spritzbeton. Bei Basler & Hofmann stieg er 2003 ein und war unter anderem Projektleiter in den Projekten Gleisoberbau Glattalbahn und Fahrbahn Gotthard Basistunnel. Bei Grossprojekten wie der Durchmesserlinie Zürich, dem Ausbau Bahnhof Bern RBS, AS25 Ausbau Aaretal Wankdorf – Ostermundigen, AS35 Zürich Stadelhofen 4. Gleis und 2. Riesbachtunnel war und ist er als Gesamtprojektleiter und / oder Chefbauleiter in der Verantwortung. Seit 2015 ist Stefan Moser Mitglied der Geschäftsleitung.

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