Schutz eines Klosters

Das ehemalige Franziskaner-Kloster Werthenstein steht auf einer Felswand, die immer mehr erodiert. Das sollen nun Sicherungsmassnahmen stoppen. Um diese so rasch und präzise wie möglich umzusetzen, nutzen die Planer einen fliegenden Helfer und – etwas zweckentfremdet – Building Information Modeling.

Durch eine schmale Tür tritt Stefan Meile an der Rückseite des Klosters ins Freie. Er macht nur einen Schritt, dann steht er am Abgrund: 50 Meter geht es hier senkrecht in die Tiefe. An einem Stahlseil gesichert begutachten Stefan Meile, Leiter Geomatik bei Basler & Hofmann, und sein Kollege Adrian Gill den Zustand der Felskante und der Klostermauern.

Erbaut wurde das Franziskaner-Kloster im Jahr 1636 hoch über der Kleinen Emme beim luzernischen Werthenstein. Das denkmalgeschützte Gebäude wirkt immer noch imposant auf dem Fels. Doch es steht auf bröckeligem Untergrund. Niederschläge und ablaufendes Wasser haben auf der Ostseite tiefe Gräben in die weichen Mergel-Schichten gefressen. Direkt am Fuss der Felswand fliesst zudem die Kleine Emme und trägt dort Stück um Stück ab. Übrig bleiben massige Überhänge aus härterem Gestein, die nun abzubrechen drohen. Schon in den letzten Jahren kam es deshalb gehäuft zu Felsstürzen und Hangrutschen. Über einer besonders brüchigen Stelle ist vor einigen Jahren sogar schon ein Stück Klostermauer eingestürzt.

Unterstützung aus der Luft

Nun wollen die zuständigen Behörden des Kantons Luzern weiteren Schaden verhindern. «Dazu müssen wir den Felsen aber zunächst exakt abbilden», sagt Stefan Meile. Dafür hat er heute einen fliegenden Helfer mitgebracht: Eine Drohne, die den rund 150 Meter breiten und 50 Meter hohen Felshang abfotografiert. Zuerst setzen die Vermesser gut sichtbare Passpunkte oben an der Hangkante. Später werden sie die Punkte ganz klassisch mit dem Tachymeter einmessen und die Felswand so in die Landeskoordinaten einpassen. Vorsichtig bewegen sich Stefan und Adrian am Abgrund entlang und verankern die Passpunkte an verschiedenen Stellen im Boden. Dasselbe machen sie nach einer kleinen Autofahrt auch am Fuss des Felsens. Danach übernimmt die Drohne. Surrend hebt sie ab und schwebt in Richtung Felswand. Sie fliegt den Hang etwa 20 Meter vom Fels entfernt nach einem vorprogrammierten Muster ab, bis sie ihn von unten bis oben aufgenommen hat.

Der gesamte Fels auf einem Bild

Der Einsatz des Hightech-Fluggeräts ist ungewöhnlich. «Normalerweise reicht es, vom Boden aus zu scannen», sagt Stefan Meile. Doch weil der Werthensteiner Fels zerklüftet und mit Überhängen durchsetzt ist, würden Teile der Wand bei einer herkömmlichen Vermessung nicht erfasst. Und weil die Zeit drängt, will man rasch ein möglichst genaues Bild des Felsens bekommen. Ein perfekter Job also für die Drohne. Zunächst läuft auch alles nach Plan. Doch plötzlich bleibt das Flugobjekt in der Luft stehen – ein Notfallstopp. Der Drohnenpilot hat ihn gerade rechtzeitig ausgelöst, um eine Kollision mit einem Kabel zu verhindern, das an einer Stelle über die Kleine Emme zum Felsen führt. Nun muss er den Kurs umprogrammieren. Danach aber geht die Aufnahme flott weiter. Über 1000 Bilder, die sich überlappen, schiesst das kleine Flugobjekt. Aus den Bildern wird Stefan Meile später am Computer ein einziges Bild der gesamten Felswand konstruieren. Daraus errechnet eine Software ein 3-D-Modell der Wand – auf zwei Zentimeter genau.

Präziser planen

«Dieses 3-D-Modell ist ein einzigartiges Hilfsmittel», sagt Mathias Amstad. Der Geotechnik-Ingenieur ist bei Basler & Hofmann für die Sicherungsmassnahmen am Werthensteiner Felsen zuständig. Geplant sind beispielsweise der Abbruch einer Felsnase, ein Abdecknetz sowie Betonscheiben, die den Felsen ummanteln. Unter den grössten Überhängen verankert sollen sie das Gestein vor weiterer Verwitterung schützen und gleichzeitig die Überhänge stützen. An der Wand in Mathias` Büro hängen einige Querschnitte der Massnahmen. «Damit zeigen wir aber nur einzelne Ausschnitte der Überhänge. Das ist ein lückenhaftes Abbild», kommentiert Mathias. «Mit der konventionellen Methode erwarten einen in der Wand oft noch Überraschungen.»

 

Kostengünstiger umsetzen

Nicht so mit dem 3-D-Modell. Es verschafft den Ingenieuren schon im Vorfeld ein viel genaueres Bild. Um dessen Informationen optimal zu nutzen, hat das Ingenieurs-Team das Modell in ein Building-Information-Modeling-System (BIM) eingelesen. Ein ungewöhnlicher Ansatz: Normalerweise benutzen Planer ein BIM, um komplette Gebäude in 3-D zu projektieren. Das klappt aber auch mit dem Felsmodell. Es ermöglicht den Ingenieuren, ihre Sicherungsmassnahmen von Anfang an dreidimensional zu planen. Statt auf einzelne Zeichnungen können sich Planer und Bauunternehmer neu auf ein präzise berechnetes und vollständiges Bild der Wand und der Sicherungsmassnahmen stützen. «Wir projektieren massgefertigt», erklärt Mathias Amstad. «Und wir können unsere Überlegungen auf einfachere Weise mit unseren Partnern teilen.» So wird beispielsweise schon im Vorfeld klar, wie viel Beton für die Sicherungen gebraucht wird und wie die Strukturen an die Felswand passen müssen. Für den Bauherrn hat das einen entscheidenden Vorteil: Er kann mit einer höheren Planungs- und auch Kostensicherheit rechnen.

In Werthenstein haben Stefan Meile und Kollegen ihre Messinstrumente und die Drohne wieder eingepackt. Schon diesen Winter werden hier Bagger und Betonmischer auffahren und sicherstellen, dass das 400-jährige Kloster noch lange unbeschädigt auf seinem Felsen thront.

 

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