Neue Gleisbrücke – gebaut in vier Tagen

Im Juli 2017 starteten die Bauarbeiten für den neuen Tiefbahnhof des RBS in Bern. Der bestehende Bahnhof stösst bereits heute an seine Kapazitätsgrenzen, darum wird in den nächsten acht Jahren eine neue unterirdische Anlage unter dem Berner Hauptbahnhof gebaut. Der Zugang zur Grossbaustelle erfolgt über einen Schacht, der direkt unter dem Gleis 1 liegt. Damit die Züge dennoch normal fahren können, wurde im Mai 2018 eine temporäre Gleisbrücke über den Schacht gebaut – in der Rekordzeit von nur vier Tagen. Möglich machte das ein Expertenteam von Basler & Hofmann, das diesen Schlüsselmoment zwei Jahre lang geplant und koordiniert hat.

Bei der Baustelle auf Gleis 1 ist es ungewöhnlich ruhig. Kein lautes Wort ist zu hören, keiner zündet sich eine Zigarette an. Jeden Moment beginnt die heikle Operation, auf die sich alle Anwesenden konzentrieren. Gerade noch wird einer der zwei beteiligten Pneukräne um einige Zentimeter verschoben. Seine Metallfüsse müssen absolut stabil auf dem Untergrund stehen. Zusammen mit dem zweiten Kran soll er gleich ein 24 Meter langes und 14 Tonnen schweres Stahlfachwerk hochheben und platzieren. Heikel ist dabei nicht das Gewicht des Fachwerks, das tragen die beiden Pneukräne locker. Heikel ist, dass hier am Westende von Gleis 1 im Bahnhof Bern kaum Platz zum Manövrieren ist. Die Zug-Fahrleitung ist gefährlich nah – und sie darf auf keinen Fall berührt oder gar beschädigt werden.

 

Zwei Jahre Planung

Auf dem Nachbargleis fährt eben ein Zug ab, ein doppelstöckiger Intercity. Auf Gleis 1 klafft in der Schienentrasse ein grosses Loch: die Baugrube des Zugangsschachts Laupenstrasse – einer der geplanten Zugänge zur unterirdischen Baustelle des neuen RBS-Tiefbahnhofs. Doch das Gleis darf nur während vier Tagen gesperrt werden. In dieser kurzen Zeit wird eine temporäre Gleisbrücke gebaut. Sie führt die Züge sicher über die mehr als 30 Meter tiefen Schlitzwände des Schachtes, der im Anschluss auf eine Sohltiefe von 17 Metern ausgehoben wird. Heute ist Samstag. «Mittwoch früh fahren die Züge wieder normal», sagt Martin Schäfer. Er ist Bauingenieur bei Basler & Hofmann und als Bauleiter dieses Abschnitts der Baustelle für das anstehende Manöver verantwortlich.

An diesem einen Wochenende kommt zusammen, was das Team von Basler & Hofmann zusammen mit RBS und SBB während zwei Jahren geplant hat. «Damit der Bau der Brücke innerhalb dieser knappen Zeit über die Bühne gehen kann, war ein enormer Koordinationsaufwand nötig», sagt Karola Wunder, die als Bauingenieurin bei Basler & Hofmann für die Verbindung zur SBB zuständig ist. Beispielsweise mussten in enger Zusammenarbeit mit der SBB die Sperrung des Gleises und die Deaktivierung der Fahrleitung organisiert werden. Es galt, spezielle Maschinen wie einen grossen Gleiskran zu reservieren oder die Arbeitseinsätze diverser Fachdienste der SBB exakt zu koordinieren, damit am Ende des Wochenendes Schienen, Fahrleitung und alle anderen bahntechnischen Anlagen rechtzeitig wieder betriebsbereit sind. So entstand ein Arbeitsablauf, der auf die Viertelstunde genau durchgetaktet ist. Schon seit einem halben Jahr wird in der Nacht beim Gleis 1 gebaut und alles für die Brücke vorbereitet. Für die Arbeiten unter dem Gleis entfernte die Baucrew die Schienen jeweils freitagsabends und montierte sie sonntagsabends wieder. Nun endlich steht der Bau der Brücke an – und gleich folgt deren Schlüsselmoment: Die Montage des Stahlfachwerks, das die Brücke tragen wird.

Inzwischen ist das Fachwerk, das auf einem Sattelschlepper wartet, mit Tragseilen an den Pneukränen befestigt. Über Funk gibt der Baustellenchef das Startsignal. Langsam heben die Maschinen die Stahlkonstruktion und bringen sie zuerst in die Senkrechte. Dann baumelt die 24-Meter-Konstruktion über der Baugrube, knapp unter der sensiblen Fahrleitung.

Acht Jahre zum neuen Bahnhof

Der Bau der Hilfsbrücke ist Teil eines unterirdischen Grossprojekts im Herzen des Berner Hauptbahnhofs: Bereits heute stösst der Tiefbahnhof der RBS mit rund 60‘000 Passagieren täglich an seine Kapazitätsgrenzen. Die Situation wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Die Prognosen gehen von einem Anstieg um rund 40 Prozent ausgehend vom Jahr 2016 bis zum Jahr 2030 aus. Um diese Passagierzahlen bewältigen zu können, wird der gesamte Berner Bahnhof bis 2026 umgebaut: Der Tiefbahnhof der RBS wird verlegt und liegt in Zukunft parallel zu und direkt unter den SBB-Gleisen 2 bis 7. Die Passagiere können dann über ein neues unterirdisches Zwischengeschoss bequem zwischen Fern- und Regionalverkehr umsteigen. Der künftige RBS-Tiefbahnhof besteht aus zwei grossen unterirdischen Hallen mit je zwei Gleisen und einem zwölf Meter breiten Mittelperron. Basler & Hofmann hat die Gesamtleitung für den neuen Tiefbahnhof inne.

Jetzt haben die beiden Pneukräne das Fachwerk schon über den Auflagerplatten positioniert, eine an jedem Ende des über 20 Meter breiten Schachts, den die Brücke überspannen wird. Bauarbeiter verteilen sich um die Auflageplatten, um das Fachwerk genau zu positionieren. «Das Gröbste ist vorbei», sagt Bauleiter Martin Schäfer und entspannt sich sichtlich. Während den nächsten Stunden steht die Montage der Querträger an. Auf der Seite Richtung Gleis 2 werden sie auf mächtigen Schlitzwänden ruhen, die zuvor im Boden errichtet wurden und die gleichzeitig als Abschluss für den Zugangsschacht dienen. Auf der anderen Seite werden die Querträger mit dem Fachwerk verschraubt. Darüber kommen Betonelemente, dann Schotter, schliesslich die Schienen.

Gesamthaft acht Jahre dauern die Bauarbeiten für den neuen RBS-Tiefbahnhof unter der Gleisbrücke. Wenn sie 2026 ausser Dienst genommen wird, wird nicht mehr nur ein Schacht unter ihr liegen, sondern ein kompletter neuer Bahnhof.

 

Beteiligte:

Auftraggeber: RBS

Planergemeinschaft: PG RBSverbindet (Basler & Hofmann, Emch+Berger, B+S, Theo Hotz Partner)

Der Einbau der Gleisbrücke im Zeitraffer-Film

 

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