ANALOG & DIGITAL

Von Gips zu Bits – Der Wettbewerb im Wandel

Wie digital sollen Architekturwettbewerbe sein? Ein Gespräch mit Bauherrenberater Miroslav Stojanovic und BIM-Spezialistin Elisa Brusa.

Was muss ich mir unter einem digitalen Wettbewerb vorstellen?
Elisa: Sprechen wir von einem digitalen Wettbewerb, ist das Ziel, Papier zu vermeiden. Die Eingaben werden digital als 2D-Pläne oder 3D-Modelle abgegeben. Einen Schritt weiter gehen Wettbewerbe mit Building Information Modeling BIM: Hier werden die digitalen 3D-Modelle zusätzlich mit Daten angereichert. Dank der Daten können im Rahmen der Vorprüfung die Einhaltung von Flächen- und Volumenvorgaben, das Raumprogramm oder zum Beispiel die Einhaltung von Brandschutznormen automatisch überprüft werden. 
Miroslav: Auch in der Jurierung können digitale Werkzeuge eingesetzt werden: Von der Beurteilung an Touchscreens über Begehungen mittels Virtual oder Augmented Reality bis hin zu Jurierungen mit Avataren im virtuellen Raum ist alles möglich.

Lässt sich die Qualität von architektonischen Entwürfen anhand uniformer, digitaler Modelle überhaupt beurteilen?
Miroslav: Eine berechtigte Frage. Es gibt Jurys, die gut auf die Bewertung digitaler Modelle wechseln können. Einigen fehlt bei einer digitalen Jurierung der Ausstellungscharakter, also dass man zeitgleich durch alle Projekte gehen kann. Andere vermissen in den digitalen Modellen die Plastizität der Gipsmodelle und den individuellen Ausdruck der Architekturvisualisierungen. 
Elisa: Aber genau in dieser standardisierten Darstellung liegt der grosse Vorteil von BIM in der Wettbewerbsphase: Da die digitalen Modelle in einer einheitlichen Form daherkommen, sind die Eingaben 1:1 miteinander vergleichbar. Keine visuellen Effekte lenken von der wesentlichen Lösung ab. In diesem Sinne macht BIM Wettbewerbe aus meiner Sicht transparenter, fairer. Was den Ausstellungscharakter angeht: Ja, auf den Screens sind nicht alle Modelle jederzeit simultan einsehbar, das ist so. Dafür kann die Jury mit Virtual Reality durch ein Gebäude schreiten und die Qualität der einzelnen Räume sehr realitätsnah erleben.
 

«Der Auslober sollte nur die Daten einfordern, die notwendig sind. Aufwand und Ertrag sollten ausgewogen sein.»

Gibt es weitere Vorteile von BIM in Wettbewerben?
Miroslav: Richtig eingesetzt, macht BIM Wettbewerbe effizienter. Die teilnehmenden Architekturbüros müssen keine Flächen- und Schemapläne mehr aus dem CAD-Programm ziehen, nicht mehr plotten und keine Gipsmodelle erstellen. Das gibt ihnen mehr Zeit, sich ihrer Idee zu widmen. Bei einem offenen Wettbewerb mit 100 Teilnehmenden kann ich als Auslober rein durch den Verzicht auf Gipsmodelle rund 40 000 Franken sparen. Weitere Einsparungen ergeben sich durch die automatisierte Vorprüfung. 
Elisa: Ein weiterer Pluspunkt eines Wettbewerbs mit BIM für Auslober ist, dass sie am Ende des Verfahrens ein digitales Grundmodell haben. Zudem kann ich während dem Wettbewerb die BIM-Kompetenz der Teilnehmenden prüfen, zum Beispiel ob sie die Modelle wie gefordert abgeben. Damit lege ich die Basis für eine erfolgreiche weitere Projektierung mit BIM. 

Euer Rat an Bauherrschaften, die den ersten Wettbewerb mit BIM durchführen wollen?
Miroslav: Less is more. Wettbewerbe, die mit Anforderungen überladen werden, sind aus meiner Erfahrung nicht zielführend. Das gilt gerade auch in Bezug auf BIM. Der Auftraggeber sollte nur so viele Daten einfordern wie für die Beurteilung notwendig sind. Aufwand und Ertrag sollten ausgewogen sein. 
Elisa: Ich würde ihnen empfehlen, sich genau zu überlegen, was sie mit BIM in der Wettbewerbsphase und darüber hinaus erreichen wollen. Dies sollte allen Beteiligten transparent mitgeteilt werden. Sonst steht man als Bauherrschaft am Ende unter Umständen mit einer «Black Box» da: einem Haufen Daten, die man nicht nutzen kann.

Mit Touchscreens und VR-Brillen lassen sich digitale Wettbewerbs­eingaben detailliert untersuchen und realitätsnah begehen.

Zum Schluss wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wird das BIM-Modell das Gipsmodell ablösen?
Elisa: Ich denke schon. In Ländern wie Singapur ist dies bereits der Fall. Für mich ist es eine Frage der Zeit. 
Miroslav: In ein paar Jahren werden Gipsmodelle vielleicht retro sein (lacht). Bis dahin können wir die BIM-Modelle vielleicht mit einem 3D-Drucker ausdrucken und während der Jurierung abwechselnd in ein einziges Stadtmodell einsetzen. Das wäre doch ein schöner Brückenschlag zwischen analog und digital.

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