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02. November 2020 – Beitrag

BIM im Tiefbau: Neuland mit viel Potenzial

BIM-Pilotprojekt in der Gemeinde Küsnacht / ZH.

Building Information Modeling (BIM) ist das Wort der Stunde im Bauwesen. Es gibt kaum eine Fachveranstaltung, in der das Wort nicht auftaucht. BIM hat die Branche erfasst. Die ganze Branche? Nein! Im Tiefbau hält BIM nur langsam Einzug. Dafür gibt es gute Gründe. Erste Pilotprojekte zeigen jedoch: Es schlummert Potenzial darin, BIM auch im Tiefbau einzusetzen.

Während BIM im Hochbau weitgehend Einzug gehalten hat, ist man im Tief­ und Infrastrukturbau noch zurückhaltend. «Ein Hochbau ist im Vergleich zu einer städtischen Infrastruktur ein einfaches Objekt», meint dazu Regula Vedruccio-Stopper, Leiterin Geoinformatik bei Basler & Hofmann. «Er hat eine klare Begrenzung und gehört in der Regel nur einem Besitzer.» Bei einer gewöhnlichen Quartierstrasse sind die Verhältnisse schon deutlich komplizierter: Zum Strassenraum gehört nicht nur die Strasse selbst mit Signalisation, Beleuchtung und Kunstbauten, sondern auch diverse Werkleitungen. Entsprechend gross ist die Anzahl der Eigentümer. Heute pflegen diese ihre Daten auf höchst unterschiedliche Weise. Die Vielfalt reicht von Papierarchiven bis zu hoch ausgefeilten GIS-Lösungen. Für die Arbeit mit BIM ist eine gemeinsame Datenbasis nötig, die sukzessive aufgebaut und gepflegt wird und mit den eigenen Systemen verknüpft werden kann. Dies erfordert eine enge Abstimmung unter den Beteiligten.

BIM – Modell mit angeschlossener Datenbank

Bei einem BIM-Projekt wird im Verlauf des Planungs­ und Bauprozesses neben dem dreidimensionalen Modell eine Datenbank aufgebaut. Zu jedem Objekt, das im Modell visualisiert wird, kann neben den rein geometrischen Daten eine Fülle von Zusatzinformationen hinterlegt werden. Aus welchem Material besteht eine Werkleitung? In welcher Qualität wurde der Belag einer Strasse eingebaut? Wer hat die einzelnen Elemente verlegt? Und so weiter und so fort. Nicht alle Daten sind sinnvoll – und jede erfasste Information verursacht Aufwand. «Deshalb ist es entscheidend, gleich am Anfang festzulegen, welche Informationen die unterschiedlichen Eigentümer in Zukunft auch wirklich nutzen wollen», hält Regula Vedruccio-Stopper fest. 

Blick unter die Strasse: Die Eigenheimstrasse in Küsnacht (ZH) war schweizweit das erste Infrastrukturprojekt, das komplett mit BIM geplant und ausgeführt wurde.
Welchen Mehrwert bietet BIM? 


Die erste Frage beim Start eines BIM-Projekts lautet deshalb: Wie wollen wir unsere Infrastruktur(en) in Zukunft bewirtschaften? Wie kann BIM für uns Mehrwert stiften? Und welche Informationen benötigen wir dafür? Bereits in der Projektierung und Ausführung bietet BIM beträchtliche Vorteile: Da alle Informationen in einem Modell gebündelt werden, werden räumliche Konflikte bereits in der Planungsphase entdeckt und bereinigt – nicht erst auf der Baustelle. Das reduziert Nachträge. «Ausschlaggebend für den Einsatz von BIM im Infrastrukturbau sollte aber der Mehrwert für die Bauherrschaft in der Bewirtschaftungsphase und in der zukünftigen Nutzung der Daten sein», hebt Regula Vedruccio-Stopper hervor.

«Es ist entscheidend am Anfang festzulegen, welche Informationen die Eigentümer in Zukunft nutzen wollen.»
Digitales Inventar der Infrastruktur

Ein ganz grundlegender Vorteil von BIM liegt nämlich im «As built»-Modell – dem exakten digitalen Abbild des tatsächlich ausgeführten Bauwerks. Das versprechen die heute gängigen zweidimensionalen Papierpläne zwar auch, doch sie bieten nur punktuelle Querschnitte und sind selten wirklich vollständig und präzise. Unter dem Strassenbelag trifft man in der Ausführung von Projekten deshalb immer wieder auf Überraschungen. Beim Bauen mit BIM werden alle Anpassungen, die auf der Baustelle vorgenommen werden, direkt in das digitale Modell übernommen. Je nach den Anforderungen der Eigentümer kommen während der Ausführung zahlreiche weitere Daten hinzu. 

Hier trifft sich die Digitalisierung mit der Automatisierung der Baumaschinen. So können die Maschinen zum Beispiel Informationen zur Verdichtung oder zur Einbautemperatur des Strassenbelags liefern. Die Einbauqualität wird so nachvollziehbar dokumentiert. «Entscheidend ist, dass dank der Kombination bestehender GIS-Informationen mit der BIM­Datenbank alle Informationen an einem Ort vorhanden sind. So erhält der Eigentümer sukzessive ein digitales Inventar der Infrastruktur.» In Kombination mit einem Bewirtschaftungstool für den Werterhalt der Infrastrukturen wie unserer Software «Stratus» werden so deutlich genauere Aussagen über die zukünftig erforderlichen finanziellen Mittel möglich. Das grösste Potenzial sieht Regula Vedruccio deshalb in der Unterhalts- und Sanierungsplanung. «BIM und GIS in der Kombination ermöglichen Bauherren eine bessere Beherrschung der Lebenszykluskosten und damit eine gezielte Investitionsplanung. Unsere Vision ist es, dass die Eigentümer auf einen Blick sehen können, wo wann was in ihrem Netz erneuert werden muss, welche Materia lien in welcher Menge bereits vorhanden sind oder neu beschafft werden müssen».

Vom Modell auf die Baumaschine und wieder zurück.
«Die laufenden Investitionen fliessen in das System der Zukunft.»
Schritt für Schritt in Richtung Zukunft

Von heute auf morgen wird diese Vision noch nicht Realität. Denn anders als im Hochbau handelt es sich bei Infrastrukturen um Netze. Ein einzelnes Erneuerungs­ oder Bauprojekt ist ein erster Baustein. Der Mehrwert von BIM wird sich erst dann voll erschliessen, wenn ein wesentlicher Teil des Netzes erfasst ist. Das ist ein länger angelegtes Vorhaben, das sich über Jahrzehnte erstreckt. Umso wichtiger erscheint es, früh mit dem «Sammeln» der Daten anzufangen. «Wer heute mit BIM im Tiefbau anfängt, nutzt jedes noch so kleine Projekt, um den <Digitalen Zwilling> für sein Netz aufzubauen. Die laufenden Investitionen, die ohnehin zu tätigen sind, fliessen statt in gedruckte Pläne in das System der Zukunft», empfiehlt Regula Vedruccio­Stopper.

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