22'200 m² neue Magerwiesen am Kerenzerberg

Am Kerenzerberg (GL) flattern die Tagfalter und summen die Bienen. Ihr Habitat ist eine frisch entstandene Magerwiese. Daneben fahren die Bagger auf – um noch mehr Biodiversität zu schaffen. Beatrix Junghardt, Projektingenieurin bei Basler & Hofmann, setzt als Teil einer Ingenieurgemeinschaft ökologische Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen um. Dass hier bald auch Unken rufen, ist im Grunde einem Tunnelbauwerk zu verdanken.
Es ist Frühsommer am Kerenzerberg. Die Autobahn ist zu hören. Aber was für eine Farbenpracht! Margeriten, Wiesensalbei, Witwen- und Flockenblumen blühen und locken Wildbienen, Tagfalter und andere Insekten an. Die bunte, 5000 m2 grosse Magerwiese unweit des Autobahntunnels ist das Resultat einer «ökologischen Ausgleichs- und Ersatzmassnahme», wie es im Fachjargon heisst. Umgesetzt wurde sie im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra). Geplant und betreut wird sie von einer Ingenieurgemeinschaft der Basler & Hofmann AG und Sieber Cassina + Partner AG.
Die Magerwiese ist nur ein Puzzlestein in einem Set von Massnahmen. Insgesamt werden am Kerenzerberg in den nächsten Jahren 22'200 m2 neue Magerwiesen geschaffen. Hinzu kommen ein Amphibienteich im Wald, Fisch-Aufstiegshilfen in einem Bach und eine Hecke entlang der Autobahn.

Humus sichern, Biodiversität fördern
Ende Mai steht Beatrix Junghardt, Projektingenieurin bei Basler & Hofmann, auf einem braunen Feld. Es ist frühsommerlich warm, der Boden «gut abgetrocknet», wie sie sagt. Beatrix bückt sich und prüft die Bodenbeschaffenheit. Hinter ihr bricht die Schaufel eines Baggers die Erde auf. Der Baggerführer ist dabei, die oberste, nährstoffreiche Bodenschicht abzutragen. Er wird den nährstoffreichen Humus abtransportieren und auf dem Installationsplatz Gäsi am Tunnelportal zwischenlagern. Dort wird Beatrix und ihr Team den wertvollen Humus in den nächsten Jahren pflegen, bis er wieder gebraucht wird. Dieser Zeitpunkt kommt, wenn der Installationsplatz der Tunnelbaustelle wieder zurückgebaut wird. Der Humus wird dann auf der Fläche des Installationsplatzes als Boden verwendet, und der Platz damit in landwirtschaftlich extensiv nutzbaren Boden verwandelt.
Ein Grossteil der Humusböden, die zuvor im Zuge der Umweltbaubegleitung bis Ende 2024 abgetragen wurden, werden auf Flächen in der weiteren Umgebung dazu benutzt, schlechte Böden zugunsten der Landwirtschaft aufzuwerten.
Auf dem Feld, auf dem Beatrix heute steht, wird eine neue Magerwiese entstehen. Magerwiesen gedeihen nur auf nährstoffarmem Boden, deshalb wird der nährstoffreiche Humus partiell abgetragen. Bald findet die Aussaat statt. Angesät wird Magerwiesen-Saatgut aus der Region mit typischen Magerwiesen-Pflanzen wie Wiesensalbei, Wittwenblumen oder Margeriten.

Grossbaustelle als Auslöser
Dass die Artenvielfalt am Kerenzerberg eine Förderung erfährt, hängt mit einer Grossbaustelle zusammen. Der Autobahntunnel durch den Berg wird im Auftrag des Astra bis voraussichtlich 2028 umfassend erneuert und sicherheitstechnisch aufgerüstet. Eine Hauptmassnahme ist der Neubau eines Sicherheitsstollens; der Ausbruch mit der Tunnelbohrmaschine ist bereits im Herbst 2022 erfolgt.
Für so eine Grossbaustelle braucht es einen Platz, wo Baumaschinen, Aushubmaterial, Unterkünfte der Bauarbeiter und Weiteres untergebracht werden können. Vor dem westlichen Tunnelportal, dem Gebiet Gäsi, wurde deshalb Wald gerodet und Landwirtschaftsfläche besetzt, um diesen Installationsplatz zu schaffen. Und als Ersatz für eben die Eingriffe entstehen nun im nahen Umfeld neue Lebensräume zugunsten der Biodiversität.

Unkenrufe erwünscht
Auch im Wald und an Gewässern sorgt die Ingenieurgemeinschaft für Artenvielfalt. Noch sieht der Teich und die Tümpel, die im Herbst 2024 in einem nahen Waldstück angelegt wurden, zwar noch erdig und kahl aus. Doch schon in ein, zwei Jahren sollen hier Unkenrufe erklingen. «Wir hoffen, dass die Gelbauchunke und andere Arten am Amphibienteich eine neue Heimat finden», sagt Matias Laustela, Leiter Umweltplanung bei Basler & Hofmann und Teilprojektleiter am Kerenzerberg.


Für die Planung des Amphibienteichs ergänzte ein Wasser-Fachmann von Basler & Hofmann das Team. Dimitri Meierhofer half zudem dabei, noch weitere ökologische Massnahmen umzusetzen, wie die Fischtreppen im Seegraben-Bach. Diese Schwellen erleichtern es den Fischen, die Höhenunterschiede bei ihrer Wanderung flussaufwärts zu bewältigen. Der Seegraben wurde insgesamt aufgewertet, etwa durch die Ufergestaltung und mit Stein- und Holzelementen im Wasser, damit die Seeforelle ohne Hindernisse zirkulieren kann und Laichgründe findet.
Als nächstes stehen wieder Feldarbeiten an. Nach der Aussaat des Saatguts für die Magerwiesen folgt im Herbst 2025 die Pflanzung einer Hecke entlang der Autobahn. Sie wird den Wildtieren helfen, sich besser zu orientieren, und ihnen Schutz und Deckung bieten.
Über Jahre hinweg geplant
Bevor solche ökologischen Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen Früchte tragen, ist jahrelange Projektierungs-, Planungs- und Koordinationsarbeit nötig. Alles muss mit der Auftraggeberin, dem Kanton, weiteren Behörden und den Grundeigentümerschaften abgestimmt werden.
Die Basis für die Planungsarbeiten der Ingenieurgemeinschaft bildet jeweils der Umweltverträglichkeitsbericht (UVB). Ein solcher ist in der Schweiz vor jedem Bauprojekt mit grösseren Auswirkungen auf die Umwelt zu erstellen. Der UV-Bericht enthält ein Pflichtenheft für die Umweltbaubegleitung, meist handelt es sich um grob vorgegebene Massnahmen.
Die Umweltbaubegleitung – am Kerenzerberg die Ingenieurgemeinschaft – muss diese Massnahmen konkretisieren und deren Umsetzung begleiten. Sie plant und projektiert die ökologischen Ersatzmassnahmen, und begleitet die Bauarbeiten im Tunnel vom Start bis zum Ende – und sogar darüber hinaus, bis nach dem Rückbau der Baustellen-Infrastruktur. Unser Team wird dafür sorgen, dass die Installationsplätze dereinst wieder zu Wiesen und Wald werden. Die Wiesen werden dann an die Landwirte zurückgegeben, die sie extensiv bewirtschaften.
Basler & Hofmann auch im Tunnel engagiert

Basler & Hofmann war am Kerenzerberg übrigens auch im Berginnern involviert: Ein Team rund um unseren Erschütterungsspezialisten Adriano Manuel überwachte in den Jahren 2020 bis 2023 die Bauerschütterungen, die beim Ausbruch des Sicherheitsstollens durch die Sprengungen und Bohrarbeiten entstanden. Das Ziel dieses Monitorings war es, den in Betrieb stehenden Strassen- und Bahntunnel im Berg sowie die umliegenden Bauwerke zu schützen.