Intelligenz im Untergrund

Bei weichem Untergrund ist eine kombinierte Pfahl-Plattengründung (KPP) oft deutlich kostengünstiger als eine traditionelle Pfahlgründung. Beim Projekt «Im Glattgarten» in Wallisellen konnten die Kosten für die Fundation sogar halbiert werden. Für eine derart schlanke Lösung ist statt viel Beton vor allem viel Analysearbeit durch die Geotechnik-Ingenieure erforderlich. In Wallisellen gehörte auch ein In-situ-Versuch mit zwei instrumentierten Test-Bohrpfählen zum Programm.

Wenn erfahrene Geotechniker raten, man solle doch bei der Fundation sparen, werden Bauherren hellhörig. So geschehen beim Projekt «Im Glattgarten» der Plazza AG in Zürich-Wallisellen – einer Überbauung mit über 200 Mietwohnungen und 1700 m2 Dienstleistungsfläche. Der Untergrund unter dem ehemaligen Industrieareal, auf dem sechs Gebäude mit je sieben Geschossen entstehen sollen, besteht aus butterweichem Ton. Die ursprüngliche Planung sah deshalb eine massive Pfahlfundation mit bis zu 40 Meter langen Pfählen vor, die die Gebäudelasten bis auf die anstehende Moräne abtragen sollten. Das geht auch effizienter – fanden die Geotechniker von Basler & Hofmann und erarbeiteten im Auftrag des Bauherrn eine Variante. Statt einer stehenden Pfahlfundation empfahlen sie eine kombinierte Pfahl-Plattengründung, bei der sich die Lasten auf eine Bodenplatte ohne Fundamentverstärkungen und deutlich kürzere Pfähle von 15 bis 20 Metern Länge verteilen. Das Einsparvolumen: rund 4000 m3 Beton in der Bodenplatte und 7000 Pfahlmeter – was rund 3 bis 4 Millionen Franken entspricht. Dank der geringeren Pfahllängen verkürzt sich auch die Bauzeit massiv.

 

Testversuch mit Hightech-Pfähle

Wer eine Fundation optimieren will, muss den Untergrund sehr gut kennen. Statt in Beton muss in die Analyse investiert werden. Deshalb sind Carlo Rabaiotti und Cornelia Malecki heute auf der Baustelle in Wallisellen. Die beiden Geotechniker überwachen die Instrumentierung von zwei Versuchs-Bohrpfählen. Noch ist nicht viel von der Baustelle zu sehen. Auf dem weitläufigen Gelände ragt eine vereinzelte Pfahlbohrmaschine in den Himmel, neben ihr liegen die Bewehrungskörbe für die beiden Pfähle bereit. Ein kleiner Trupp orangegekleideter Menschen hat sich darum versammelt. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass es sich nicht um normale Bewehrungskörbe handelt: Ein leuchtend blaues Gerät blitzt zwischen den Bewehrungsstäben hindurch, beim längeren Korb sind es sogar zwei. «Das sind Pressen», erklärt Cornelia. Sie drücken die Versuchspfähle mit bis zu 10 000 kN in den Boden – das ist mehr als die spätere Gebäudelast. «Auf diese Weise ermitteln wir die Grenzen des äusseren Tragwiderstandes. Gleichzeitig üben die Pressen auch Druck nach oben aus. Damit können wir die maximale Mantelreibung feststellen.» Doch dafür muss einiges an Messtechnik in den Pfählen installiert werden: Blaue Kabel durchziehen sie von oben bis unten – faseroptische Sensoren, die Stauchungen und Dehnungen messen. Zusätzlich werden an jedem Pfahl rund 20 Dehnmessstreifen befestigt. Die Hightech-Bewehrungskörbe sind inzwischen fertig instrumentiert und können in das Bohrloch gehoben werden.

Probieren und studieren

Die Testpfähle sind sehr wichtig für die Geotechniker: «Der in-situ-Versuch mit diesen beiden Pfählen gibt uns Aufschluss darüber, wie gut die Baugrunduntersuchung und unser FE-Modell mit dem realen Verhalten von Gebäude und Boden übereinstimmen», kommentiert Carlo, während neben ihm bereits Beton in den Bewehrungskorb gegossen wird. Das hier angewandte Testverfahren wird nach seinem Erfinder, dem amerikanischen Professor Jorj O. Osterberg, auch Osterberg-Methode genannt. «Je nachdem wie die Messresultate ausfallen, können wir die definitive Fundation vielleicht noch schlanker machen», hofft der promovierte Geotechniker. Der Baubeginn für die übrigen 300 Pfähle und die Bodenplatte ist in 2 Monaten vorgesehen.

Präziser als erwartet

Zwei Wochen später: Die Messresultate liegen vor. Sie zeigen: Der Untergrund verhält sich fast genau so wie im FE-Modell angenommen. Die Fundation passt wie angegossen. Das wäre doch ein Grund hochzufrieden zu sein? Carlo und Cornelia stimmen zu und sind dennoch etwas enttäuscht: «Wir können noch rund 300 Meter Pfahllänge einsparen. Eigentlich dachten wir, es läge noch etwas mehr drin.» Jetzt wird wie geplant gebaut und die Geotechniker werden weiter messen. 8 Pfähle und 8 Stützen der Gebäude werden mit faseroptischen Dehnungssensoren instrumentiert, so dass man das Verhalten des Bauwerks bis zum Abschluss der Bauzeit beobachten kann.

 

Weniger Beton – mehr Expertise

Ist das nicht etwas viel Aufwand? «Überhaupt nicht», Carlo schüttelt energisch den Kopf. «Zu einer derart optimierten Lösungen wie in Wallisellen gehören zwingend vier Schritte: vertiefte Baugrunduntersuchungen, FE-Modell, In-situ-Test und Instrumentierung des fertigen Bauwerks. Ein FE-Modell ohne eine Validierung mit Messungen wäre nicht viel wert. Und je mehr wir messen, desto besser werden auch die Modelle. Insgesamt ist unser Aufwand aber sehr gering im Vergleich zu den Kosten, die wir damit einsparen.» Das beweist inzwischen schon eine ganze Reihe von Projekten.

 

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