Transformation eines Giganten

Das «Ambassador House» ist ein gewaltiges Gebäude: Mit seinen 150 Metern Länge steht es wie ein Landmarke an der Bahnlinie zwischen Zürich-Nord und Flughafen. Ende der 1980er Jahren als Hotel eröffnet, wird es nun komplett umgebaut. Es entsteht ein moderner Bürokomplex – mit einer markanten Auskragung, die wie ein Kopf über den Eingangsbereich ragt. Dieser Baukörper wird von einer ungewöhnlichen Stahlkonstruktion getragen. Ein Besuch auf der Baustelle in Opfikon.

Bis 2014 gingen hier noch Hotelgäste ein und aus – jetzt begrüsst das Ambassador House den Besucher im Rohbau, von oben bis unten eingerüstet. Allerorts sind Arbeiter zugange, das Gebäude dröhnt vom Bohr- und Maschinenlärm. Im Treppenhaus ist unter viel Baustaub noch der Steinbelag aus Hotelzeiten zu erahnen. Im dritten Stock öffnet sich das Gebäude hin zu einer Plattform aus gelben Schalbrettern. Hier wird demnächst die die unterste Decke eines neuen, 8 Meter auskragenden Baukörpers erstellt. Beim Betreten der Schalung ist Vorsicht geboten: Armierungen ragen aus der offenen Betondecke des Bestandsbaus, der Schnee vom Vortag löst sich allmählich in Matsch auf. Sieben massive Stahlträger ruhen auf der Schalung. Von jedem erstreckt sich ein armdickes Stahlseil diagonal über vier Stockwerke in die Höhe. Noch hängen die Seile schlaff. Neben den mannshohen Stahlgelenken knien zwei Monteure. Heute sollen die Seile vorgespannt werden.

Ein tonnenschwerer «Bauchladen»

Mit auf der Baustelle ist Bauingenieur Jörg Habenberger, der für die Tragkonstruktion verantwortlich ist. «Die Last der Auskragung wird über die Stahlseile in das Tragwerk des Bestandsbaus abgeleitet, das natürlich entsprechend verstärkt werden musste», erklärt er. Man kann sich das wie einen Bauchladen vorstellen – mit der Masse eines vierstöckigen Bürobaus. Um die Lasten zu reduzieren, wird für die Decken Leichtbeton verwendet. Eingebettete Hohlkörper sorgen für zusätzliche Gewichtseinsparungen. Bei der Vorspannung geht es jetzt um die Justierung: Die Träger sollen direkt auf der Schalung aufliegen, die Seile gespannt sein. Wie viel Tonnen Zug soll man aufbringen? Bei 5 Tonnen hängen die Seile noch immer etwas durch. Die Monteure ziehen Schrauben an. Als Widerlager dienen Anker in der Betondecke zwei Stockwerke tiefer. Dann wird auf eine Hydraulikpresse umgestellt, um Zug auf die Seile zu bringen. Der Motor summt. Bei 20 Tonnen straffen sich die Stahlseile und die Strahlträger liegen knapp über der Schalung. Nach rund drei Stunden Arbeit in winterlicher Kälte recken sich alle Seile parallel und schnurgerade vom dritten Stock bis zur Oberkante des sechsten Stocks. Das Team packt zufrieden zusammen. Als nächstes können die Stahlträger in die Bodenplatte einbetoniert werden.

Auskragung als prägendes Bauteil

Der neue Bürokomplex mit einer Nutzfläche von 57 000 Quadratmetern soll im Frühjahr 2017 eröffnet werden. Der Entwurf von Stücheli Architekten besteht aus klar strukturierten Baukörpern, die wie übereinander gestapelt wirken. Diese Wirkung ist vor allem auch der aufwändigen Auskragung zu verdanken, die gemeinsam mit der darunterliegenden Terrasse den Eingangsbereich prägt.

Leistungen von Basler & Hofmann:
Tragwerksplanung, Erdbebenertüchtigung, Werkleitungen, Verkehrsplanung.
Stahlbau: Baltensperger AG
Baumeister: Feldmann AG
Architektur: Stücheli Architekten
Totalunternehmung: Halter AG Gesamtleistungen

 

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