MIKRO & MAKRO
Sensoren am Gotthard
Mit der Fotoreportage beleuchten wir unser Schwerpunktthema «Toleranz» aus verschiedenen Perspektiven. Wir erschliessen uns die Welt aus der Luft, tauchen in einen Lebensraum ein und schauen ganz nah auf Details eines Projekt. Ein visueller Besuch rund um die Baustelle für die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels mit unserem Team für Erschütterungsschutz.

Der Gotthard-Strassentunnel ist mit 16,9 Kilometern Länge der längste Strassentunnel in den Alpen. 1970 bis 1980 erbaut, ist es Zeit für eine Sanierung. Da der Verkehr auch während der Arbeiten rollen soll, wird eine zweite Gotthard-Röhre gebaut. Geht sie dereinst in Betrieb, kann der erste Tunnel saniert werden.
Die Bauarbeiten für die zweite Röhre sind in vollem Gange. Zwei Tunnelbohrmaschinen arbeiten sich von Göschenen und Airolo her durch den Berg. Teilweise sind Sprengungen nötig, etwa für den Ausbruch der Kavernen, in denen neue Lüftungszentralen im Berg entstehen. Auch weitere Arbeiten, beispielsweise mit dem Abbruchhammer, können den Fels ins Zittern bringen. Damit diese Erschütterungen nicht zur Gefahr werden, weder für Menschen noch für Bauwerke, werden sie überwacht. Ein Team von Basler & Hofmann sorgt rund um die Uhr dafür, dass im Falle von Risiken alle Beteiligten rechtzeitig gewarnt sind und Massnahmen treffen können, um Schäden zu vermeiden. Wir haben das Team ins Innere des Berges begleitet.

Im Zeitfenster der Tunnelsperre
Drei- bis viermal pro Jahr öffnet sich für Adriano Manuel und sein Team ein Zeitfenster: Der Gotthard-Strassentunnel wird für einige Nächte komplett für den Verkehr gesperrt. Adrianos Team bietet sich die Chance, alle nötigen Sensoren vor der nächsten Bauphase zu installieren. Zuerst aber entfernt es draussen vor dem Portal jene Sensoren, die aufgrund des Baufortschritts nicht mehr benötigt werden: an der Lüftungszentrale, dem nahen Viadukt, einem Elektrizitätswerk und einem Haus am Hang. Dann geht es mit dem Auto hinein in den Tunnel.

Schäden verhindern und Beweise sichern
Das Team überwacht im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) die durch die Bauarbeiten entstehenden Erschütterungen. Ihre Arbeit dient im Kern zwei Zielen: der Schadensprävention und der Beweissicherung. Einerseits soll durch rechtzeitiges Eingreifen verhindert werden, dass die bestehende Gotthardröhre oder andere Bauwerke durch den Vortrieb der zweiten Röhre Schaden nehmen. Andererseits dienen die Sensordaten zur Beweissicherung im Falle von Streitigkeiten: Tritt zum Beispiel ein Riss an einem Wohnhaus in Tunnelnähe auf, lässt sich nachweisen, ob dieser durch die Bauarbeiten entstanden ist oder nicht.
Montage im Sicherheitsstollen
Die zweite Röhre des Gotthardtunnels entsteht in 70 Metern Distanz zur ersten Röhre. Mittig zwischen beiden Tunnels liegt ein Sicherheitsstollen (im Bild), der über rund 60 Querverbindungen aus der ersten Röhre erreichbar ist. Adriano Manuel und Stefan Bertschy bringen auch hier Sensoren an. Sie sind nun tief im Innern des Gotthards. Die Sensoren montieren sie frühzeitig an Stellen, in deren Nähe die nächste Sprengung oder Grabung für die zweite Röhre erfolgt.

Felsenfest festgeschraubt
Mit einer Wasserwaage stellen die Fachleute sicher, dass jeder Sensor im Lot ist. Mit Schrauben verankern sie das Gerät, auch Geophon genannt, fest im Fels – es soll kein Spiel haben. Einmal montiert, übermitteln die Geophone ihre Messdaten per Funk oder Kabel an eine Messzentrale. Diese schickt sie weiter an eine Webplattform, die von Basler & Hofmann Tag und Nacht betrieben wird.

Warnen und reagieren
Der Bildschirm zeigt alle zehn Sekunden die Messwerte eines Geophons an. Werden bestimmte Richtwerte überschritten, geht eine Nachricht an alle Beteiligten ab, darunter die Bauleitung, das Bauunternehmen, das Astra und Adrianos Team. Ist bloss ein «Interventionswert» überschritten, entscheidet die Bauleitung nach Rücksprache mit dem Bauunternehmen, ob und wie sich die Erschütterung reduzieren lässt. Wird aber der Alarmwert überschritten, muss sofort eine Massnahme erfolgen: Zum Beispiel wird die Sprengladung reduziert. Oder es folgt gar ein Baustopp, bis eine Lösung gefunden ist. «Die Kunst ist, das Messsystem so einzustellen, dass alles sicher bleibt und nicht unnötig Alarme ausgehen», sagt Adriano Manuel, Projektleiter des Teams für Erschütterungsschutz.