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«Nichts, was kontaminiert sein könnte, darf nach aussen dringen»

Biosicherheitsexpertin Gesche Bernhard

Gesche Bernhard ist Expertin für Biosicherheit bei Basler & Hofmann. Sie weiss, wie man mit potenziell gefährlichen Organismen arbeitet. Als Teil eines vierköpfigen Teams berät sie weltweit Organisationen, die ihre Biosicherheit prüfen oder erhöhen wollen oder Neu- und Umbauten von Laboren und Anlagen planen. Im Interview sagt sie, inwiefern Toleranz in ihrem Beruf eine Rolle spielt – und welche Herausforderungen sie in anderen Ländern antrifft.

Gesche Bernhard und ihre Kolleginnen und Kollegen vereinigen im Team Biosicherheit Wissen aus Bio-, Umwelt- und Laborsicherheit, Veterinärweisen, Diagnostik, Biomedizin sowie pharmazeutischer Entwicklung und Produktion. Sie selbst ist Mikrobiologin und Biochemikerin und hat in der biomedizinischen Grundlagenforschung, in der Innovationsentwicklung und der Pharmaindustrie gearbeitet, bevor sie zu Basler & Hofmann stiess. 

Gesche, sieht man dich auch mal in Schutzkleidung?

Gesche: Ich arbeite meist in normaler Kleidung am PC oder in Workshops bei Kunden. Aber manchmal trage ich Schutzausrüstung. Wenn wir zum Beispiel in ein Forschungslabor gehen, ist eine der Sicherheitsstufe entsprechende Schutzausrüstung Pflicht. 

Es gibt vier Biosicherheitsstufen; je höher die Stufe, desto gefährlicher sind die Krankheitserreger, mit denen gearbeitet wird, und umso umfangreicher sind die Sicherheitsmassnahmen. So trägt man in einem Hochsicherheitslabor der Stufe 4 einen Vollschutzanzug und wird mit separater Atemluft versorgt. In einem Standardlabor eines kleinen Biotech-Unternehmens hingegen reichen, je nach Vorschriften, ein Labormantel, Sicherheitsbrille und Handschuhe. Höchste Vorsicht ist nicht nur beim Eintritt geboten, sondern auch beim Verlassen der Anlage: Nichts, was kontaminiert sein könnte, darf nach aussen dringen.

Einwegschutzanzug Typ 4
Arbeiten in einem Sicherheitslabor erfordert besondere Schutzausrüstung, wie hier einen Einwegschutzanzug Typ 4 mit Gebläse-Atemschutzsystem. Quelle: Institut für Virologie und Immunologie IVI, Mittelhäusern, Schweiz.
Womit befasst sich eine Expertin für Biosicherheit?

Gesche: Mit biologischen Gefahren. Das sind Organismen oder biologische Materialien, von denen eine Gefahr für Menschen, Tiere oder die Umwelt ausgehen kann. Dazu zählen bestimmte Bakterien, Hefen, Einzeller, Parasiten und ihre infizierten Wirte. Dies können auch Insekten sein, beispielsweise die Malaria übertragende Mückenarten. Generell kann es sich um genetisch veränderte, krankheitserregende oder gebietsfremde Organismen handeln. Unser Ziel ist der sichere Umgang mit diesen Organismen und der Schutz vor Freisetzung, Ausbreitung und Infektion. 

Was sind typische Projekte, an denen ihr arbeitet?

Gesche: Wir beraten Forschungsinstitute, Unternehmen, Behörden und Organisationen, aber auch Architektur- und Planungsbüros. In der Regel unterstützen wir unsere Kunden bei der baulich-technischen Konzeption von biosicherheitsrelevanten Laboren und Hochsicherheitsanlagen. Wir koordinieren natürlich mit anderen Sicherheitsbereichen, wie dem Brandschutz. Neben der Sicherheit berücksichtigen wir auch die Effizienz der vorgesehenen Prozesse.

In Polen zum Beispiel hatten wir ein Projekt, bei dem es um die Renovation eines Hochsicherheitslabors ging, das nie in Betrieb gegangen ist. Wir zeigten mit einer Gap-Analyse auf, was zu verbessern ist, und unterstützten das Institut dabei, den Umbau so zu konzipieren, dass in Zukunft ein funktionsfähiges, sicheres und den Bedürfnissen entsprechendes Hochsicherheitslabor entsteht.

Oft begleiten wir auch die bauliche Umsetzung und die Inbetriebnahme. Wir prüfen nicht nur die Anlage und alle sicherheitsrelevanten Geräte, sondern auch die Arbeitsabläufe und die Sicherheitskultur der Mitarbeitenden. Bei Bedarf entwickeln wir operative Sicherheitskonzepte und schulen die Mitarbeitenden vor Ort.

Manchmal prüfen wir bestehende Hochsicherheitsanlagen in einem Audit betreffend Compliance. In Nordeuropa zum Beispiel haben wir bei einem Produzenten von Polio-Impfstoff in einem Audit vor Ort untersucht, ob die Anlage den Anforderungen der Gesetze und dem internationalen Stand der Sicherheitstechnik entspricht. 

Standardlabor der Biosicherheitsstufe 1
Ein typisches Standardlabor der Biosicherheitsstufe 1 in Asien. Quelle/Copyright: Arch`lab, Singapur
Gibt es überhaupt irgendeine Form der Toleranz in der Biosicherheit?

Gesche: Bei den projektspezifisch definierten Sicherheitszielen gibt es keine Toleranz, sie müssen erreicht werden. In der Biosicherheit basieren die Sicherheitsziele auf drei Säulen: den nationalen Gesetzen, den internationalen Standards und bewährten Vorgehensweisen sowie der jeweiligen Projekt-Risikoanalyse. Toleranz gibt es aber auf dem Weg, wie wir diese Ziele erreichen. Es braucht Offenheit und eine gewisse Flexibilität, um kundenspezifische Lösungswege zu finden. Nicht immer sind europäische Standards auf andere Länder übertragbar; manchmal sind die klimatischen oder technischen Möglichkeiten anders oder wir müssen kulturelle Traditionen und religiöse Rahmenbedingungen berücksichtigen. In einigen Ländern ist beispielsweise der Wunsch nach dem Tragen eines Hijabs zu berücksichtigen, wenn wir gemeinsam mit dem Kunden die Schutzausrüstung festlegen. 

«Nicht immer sind europäische Standards auf andere Länder übertragbar.»
Arbeitet das Team aktuell in einem Projekt, in dem Offenheit zentral ist?

Gesche: Ein Projekt, in dem wir mit offenem Geist Lösungswege finden müssen, haben wir in Indien. Dort ist der Bau eines tiermedizinischen Instituts geplant, in dem Impfstoffe entwickelt werden, etwa gegen Maul- und Klauenseuche. Die Wirksamkeit solcher Impfstoffe muss man an Tieren testen. Bei Maul- und Klauenseuche sind dies Kühe. Überall auf der Welt würden die Kühe nach den Tests getötet, und die Kadaver müssten innerhalb des Hochsicherheitsbereichs dekontaminiert werden, denn es gilt: Potenziell infektiöse Materialien, auch Tierkörper, müssen inaktiviert werden. Es ist zentral zu verhindern, dass Krankheitserreger nach aussen dringen. Nun aber sind Kühe in Indien heilig und dürfen nicht getötet werden. Gewünscht ist also ein Konzept, wie diese Kühe weiterleben können, etwa auf einer besonders konzipierten Art «Gnadenhof» auf dem Gelände des Instituts. Ob dies möglich sein wird, ist noch unklar. Es braucht aber die Offenheit, solche Fragen anzugehen.

«Potenziell infektiöse Materialien, auch Tierkörper, müssen inaktiviert werden.»
Biologische Sicherheitswerkbank (blaues Gerät) in einem Labor der Biosicherheitsstufe 3
Biologische Sicherheitswerkbank (blaues Gerät) für einzeln belüftete Kleintierkäfige (rechts im Bild) in einem Labor der Biosicherheitsstufe 3 (ABSL-3).
Hat sich die Corona-Pandemie auf eure Arbeit ausgewirkt?

Gesche: Ja, durchaus. Weltweit steigt seit der Pandemie der Bedarf an Hochsicherheitslaboren für die Diagnostik und die Produktion von Impfstoffen gegen hochinfektiöse und pandemische Erreger. Viele Länder haben gemerkt, dass sie abhängig von anderen Ländern sind und im Ernstfall Versorgungsdefizite hätten. Diesbezüglich beraten wir in Projekten in Afrika und in Südostasien.

Gibt es weitere Aspekte der Biosicherheit, die wichtiger geworden sind?

Gesche: Ein wichtiger werdendes Thema in der Biosicherheit ist die KI, ihre Auswirkungen, Gefahren und ihre Nutzung. Ein weiterer Aspekt, der zunehmend Aufmerksamkeit erhält, ist die Biosecurity. Dabei geht es um das Verhindern von Missbrauch und Diebstahl von Krankheitserregern oder den Daten, die damit zusammenhängen. Dieser Aspekt hat bereits Eingang in die Schweizer Gesetzgebung gefunden, und seine Aktualität spiegelt sich in einer neuen internationalen Richtlinie zur Biosecurity wider, die im Juli 2024 von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht wurde. Letztendlich geht es um Dual Use. Gemeint ist die Möglichkeit, dass man ein und denselben Stoff für friedliche Zwecke, aber im schlimmsten Fall auch für Waffen und Bioterrorismus nutzen kann. Die Biosecurity beleuchten wir seit jeher in jeder Risikoanalyse. Wir merken aber, dass heute auch kleinere Firmen dieses Thema von sich aus ansprechen. 

Dieser Artikel ist in kürzerer Form im «Und Magazin» zum Thema Toleranz erschienen.
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