Mit Helm und Tablet: Junge Bauleiter:innen auf der RBS-Grossbaustelle in Bern

Wie fühlt es sich an, als junger Bauleiter oder junge Bauingenieurin auf einer Grossbaustelle die Ausführung eines Projekts zu koordinieren? Das haben wir Ismael Röthlisberger (32 Jahre) und Prijanthy Panchadcharam (29 Jahre) gefragt. Beide sind im Projekt «Ausbau Bahnhof Bern RBS» engagiert, wo sie den Bau von zwei grossen Kavernen für den neuen unterirdischen RBS-Bahnhof seitens Basler & Hofmann begleiten.
Nur wenige Meter unter den rollenden Zügen der SBB am Hauptbahnhof Bern entsteht derzeit ein Bauwerk von fast kathedralartigen Dimensionen: zwei riesige Kavernen mit 26 Meter Breite und 17 Metern Höhe. Der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) lässt einen neuen unterirdischen Bahnhof mit vier Gleisen bauen. Ab Ende 2029 sollen darin Züge verkehren. Basler & Hofmann stellt als Mitglied der Planergemeinschaft «RBS verbindet» die Chefbauleitung und sorgt dafür, dass Qualität, Termine und Kosten im Grossprojekt stimmen.
Ismael Röthlisberger ist einer von sieben Bauleitern auf der Grossbaustelle. Als Bauleiter führt und koordiniert er – als Teil eines Teams – den Rohbau des neuen Tiefbahnhofs. Prijanthy Panchadcharam (29 Jahre) unterstützt die Bauleitung und übernimmt erste Bauleitungsaufgaben. Als Projektingenieurin hat sie Teile der Kavernen selbst projektiert; nun kontrolliert sie deren Umsetzung auf der Baustelle.

Ismael und Prijanthy: Was ist der häufigste Handgriff, den ihr auf der Baustelle tut?
Ismael: Das ist der Griff zum Handy. Ich bin ein bis drei Mal pro Tag auf der RBS-Baustelle, prüfe die Qualität der umgesetzten Arbeiten und dokumentiere den Baufortschritt. Dazu nutze ich das Handy und mache 20 bis 50 Fotos täglich. In den zwei Jahren, die ich als Bauleiter in Bern tätig bin, sind rund 15'000 Fotos zusammengekommen. Die Fotos dienen als Absicherung für den Fall, dass es einmal Diskussionen darüber gibt, wie eine Arbeit ausgeführt wurde. Die Bauherrin erhält von uns wöchentlich einen Bericht über den Baufortschritt. Einige Fotos finden auch Eingang in den Schlussbericht, den wir zum Projektende zwecks Qualitätsdokumentation erstellen.
Prijanthy: Ich unterstützte die Bauleitung in der Qualitätskontrolle und mache ab und zu Bewehrungsprüfungen. Das heisst, ich prüfe, ob die Armierungseisen so verlegt wurden, wie in den Bauplänen vorgesehen. Die Pläne habe ich digital auf dem Tablet dabei, wenn ich in die Kavernen hinuntergehe. Ich mache ebenfalls Fotos und erstelle dann, zurück im Büro, ein Bewehrungsprotokoll. Darin halte ich auch fest, was zu verbessern und später erneut zu prüfen ist.

Ismael, welche weiteren Aufgaben hast du als Bauleiter?
Ismael: Als Bauleitung sind wir im Auftrag der Bauherrschaft verantwortlich für die Koordination, Organisation und Kontrolle eines Projekts in der Ausführung. Wir stellen sicher, dass das Bauprojekt in der vereinbarten Qualität, termingerecht und im Budgetrahmen umgesetzt wird. Wir machen die Qualitätskontrolle, kontrollieren die Einhaltung von Verträgen und Sicherheitsvorschriften, sind zuständig für die Kostenkontrolle und das Nachtragsmanagement – letzteres bedeutet, dass wir Nachforderungen der Bauunternehmen für nicht vertraglich festgelegte Leistungen prüfen. Eine weitere Aufgabe ist die Koordination der Arbeiten zwischen Bauherrschaft, Bauunternehmen und Planungsfachleuten.
Prijanthy, du bist Projektingenieurin, übernimmst aber auch erste Bauleitungsaufgaben. Wie unterschieden sich die Tätigkeiten?
Prijanthy: Als Projektingenieurin plane und berechne ich das Bauwerk und erstelle zusammen mit den Zeichnerinnen und Zeichnern die Pläne. Ich stelle sicher, dass das Bauwerk tragsicher, gebrauchsfähig und dauerhaft gebaut werden kann. Das ist Planungsarbeit im Büro. Als Bauleiterin bin ich in der Ausführung draussen auf der Baustelle tätig und kontrolliere die Umsetzung.

Wie seid ihr zum Job als Bauleiter und angehende Bauleiterin gekommen?
Ismael: Ich machte nach der Matura zuerst noch eine Lehre als Maurer EFZ. Anschliessend studierte ich Bauingenieurwissenschaften an der ETH Zürich. Zwischen Bachelor und Masterstudium durfte ich ein Praktikum bei Basler & Hofmann machen – hier auf der RBS-Baustelle in Bern als Bauleiter. Durch das Praktikum kam ich zum Tunnelbau und merkte, wie faszinierend das ist: Ein Loch in einen Berg oder Untergrund zu bauen und sicherzustellen, dass es hält! Nach dem Studium stieg ich direkt als Bauleiter bei Basler & Hofmann ein, wieder auf der RBS-Baustelle.
Prijanthy: Ich war im Gymnasium stark in Mathe. Bauingenieurwissenschaften zu studieren, entschied ich nach einem Besuch von Studierenden der ETH an unserem Gymnasium. Auch ich machte ein Praktikum bei Basler & Hofmann und lernte dabei den Tunnel- und Brückenbau kennen. Vom Homeoffice aus, leider, da mein Praktikum in die Corona-Pandemie fiel.

Wie war für euch der erste Tag auf der Grossbaustelle – raus aus der Komfortzone Büro ab in den Untergrund?
Prijanthy: Als ich zum ersten Mal allein auf die Baustelle gehen musste, um die Bewehrungen zu prüfen, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Ich fragte mich: Wie ernst werden die Baufachleute mich als junge Frau nehmen? Vor Nervosität hätte ich fast vergessen, Prüf-Fotos zu machen. Doch alle grüssten mich freundlich und es fühlte sich gut an. Heute ist der Gang über die Baustelle Routine für mich.
Ismael: Am ersten Tag auf der RBS-Baustelle während des Praktikums dachte ich mir: Cool, endlich wieder auf einer Baustelle! Der Start als Bauleiter zwei Jahre später fühlte sich schon etwas überwältigend an. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser, wenn du neu Bauleiter sein darfst und Verantwortung trägst. Doch das Team half mir beim Einstieg. Ich wurde gut akzeptiert auf der Baustelle.

Was habt ihr nicht im Studium, sondern erst «on the job» gelernt?
Ismael: Die ganzen Bauabläufe, die Terminplanung und Kostenkontrolle, die Kontrolle der Umsetzung sowie die Nachtragsprüfung lernt man erst im Beruf. Vor allem aber: Das Verhandeln mit den Bauunternehmungen, zum Beispiel über unvorhergesehene Leistungen und deren Vergütung. Auf der Baustelle geht es jeden Tag darum, gemeinsam Lösungen zu finden und Diskussionen mit Bauführern, Polieren, Mineuren und den unterschiedlichsten Fachleuten gut zu führen. Das Verhandeln ist herausfordernd, aber auch spannend und abwechslungsreich.
Prijanthy: Auch als Projektingenieurin lernt man einiges erst im Beruf, etwa, wie man ein Leistungsverzeichnis für die Submission erstellt und Offerten prüft.

Welche Kompetenzen sollte ein Bauleiter, eine Bauleiterin mitbringen?
Prijanthy: Ein Studium in Bauingenieurwissenschaften ist eine gute Grundlage, dort eignet man sich das theoretische Wissen an. Von der Persönlichkeit her sollte man offen und eher extrovertiert sein, das Gespräch suchen und für eine gute Stimmung sorgen können. Stressresistenz hilft auch, und man darf kein reiner Büromensch sein. Bauleitung ist ein schöner Beruf, wenn man Praxis und Theorie verbinden will.
Ismael: Ein Bauleiter darf nicht konfliktscheu sein, sollte kommunikativ und lösungsorientiert sein. Empathie ist hilfreich, um die Anliegen der Ausführenden und der Führungsebene zu verstehen. Nur wenn man sich auf der Baustelle gut versteht, gelingt eine gute Zusammenarbeit.

Welchen anderen Beruf könntet ihr euch vorstellen?
Ismael: Eigentlich keinen. Ich bin zufrieden als Bauleiter. Der Beruf lässt mir ausserdem genug Freiraum für mein Hobby, den Sport. Ich mache Ultra-Trailrunning. Die Arbeitszeiten und die Stellvertretungen sind flexibel genug, damit ich trainieren kann und zum Beispiel am SwissPeaks 380 mitlaufen kann, einem Ultra-Trail-Lauf über 380 Kilometer in den Walliser Bergen.
Prijanthy: Bauleiterin ist ein cooler Beruf. Ich könnte mir aber auch vorstellen, als Mathelehrerin zu arbeiten, weil ich die Arbeit mit Jugendlichen mag. Berechnungen machen einfach Spass: Oft kann man mit einer einfachen Rechnung ein Problem lösen. Darum gefällt mir auch der Beruf als Bauingenieurin: Ich habe zum Beispiel die Bewehrungen für beide Kavernen berechnet und geplant; nun kontrolliere ich deren korrekte Umsetzung auf der Baustelle. In der Planung dimensionierst du die Bauteile, bestimmst zum Beispiel, wie gross und dick ein Element sein muss. Du stellst zudem sicher, dass nicht zu viel Material gebraucht wird und sorgt so für nachhaltige Bauten.

Was war für euch ein Highlight auf der RBS-Baustelle?
Ismael: Ein Highlight war für mich der Tag der offenen Baustelle 2024, als wir unsere Arbeit für den «Ausbau Bahnhof Bern RBS» der Bevölkerung zeigen konnten. Das Interesse war riesig, die Leute waren sehr beeindruckt, was wir hier in den Kavernen wenige Meter unter den Geleisen der SBB bauen.
Prijanthy: Ich erinnere mich besonders gern an das Durchschlagsfest im Juni 2023, als wir Planenden und Bauunternehmen den Durchbruch zwischen der Bahnhofkaverne und dem ersten Einfahrtstunnel feierten.

Worauf freut ihr euch noch?
Prijanthy: Auf den Tag, an dem der neue RBS-Bahnhof in Betrieb geht. Alle werden sehen, wie gross die Kavernen sind – und wie schön.
Ismael: Ich freue mich auf den Abschluss des Rohbaus. Die erste Kaverne sollte im Frühling 2026 im Rohbau erstellt sein, nach fünf Jahren Arbeit. Die zweite Kaverne folgt voraussichtlich im August 2026. Danach kommt der Ausbau mit den Bahnanlagen, der Elektrik, den Rolltreppen und anderem.

